Allgemeines zur politischen Situation
9 01 2012Nur eins ist klar, wenn man sich mit dem Nahostkonflikt und der politischen Situation in Israel und Palästina beschäftigt: Alles ist kompliziert. Und wenn man mehr erfährt und lernt, wird es nicht etwa einfacher und einleuchtender, sondern noch komplizierter.
Wer mich kennt weiß, dass ich immer versuche, die Sicht der Gegenseite zu betrachten, auch wenn anscheinend alles klar ist und dass ich den Anspruch an mich selber habe, möglichst objektiv zu bleiben und Emotionen rauszuhalten, wenn ich versuche, mir eine Meinung zu bilden. Sich hier eine Meinung zu bilden ist ganz schön schwierig, wenn man sich nicht einfach von einer Seite mitziehen lassen will. In Israel und Palästina zu sein bedeutet daher für mich einen ständigen Konflikt mit mir selbst auf der Suche nach meiner Meinung, aber genau das habe ich gewollt, als ich hergekommen bin: ich wollte es mir nicht einfach machen, ich wollte keine Schwarz-Weiß-Sicht übernehmen, sondern versuchen, immer auch die Gegenseite zu sehen.
Konkret: Auch wenn ich deutlich zur palästinensischen Seite tendiere, versuche ich immer auch das Verhalten der Israelis zu verstehen. Aber manchmal stoße ich einfach an meine Grenzen, nämlich wenn ich Sachen sehe, die durch nichts zu rechtfertigen sind. Was das im Einzelnen ist, lest ihr in den nächsten Berichten.
Noch etwas, das klar wird, wenn man sich hier mit dem Konflikt beschäftigt, ist dass man zwar versuchen sollte, seine eigenen Gefühle aus der Meinungsbildung herauszuhalten, dass aber die Emotionen der Israeli und der Palästinenser eine bestimmende Rolle in diesem ganzen Drama spielen. Allen voran: Angst und Hass. Die Angst vieler Israelis von “den Arabern” ins Meer gedrängt zu werden, die vieler Palästinenser, ihren Staat vollständig zu verlieren. Der Hass, der auf beiden Seiten dadurch entstanden ist, dass ihre Freunde und Angehörigen von der Gegenseite getötet wurden. Der Hass der Palästinenser, der aus dem Gefühl der Unterdrückung entsteht.
Natürlich ist nicht das Verhalten aller Menschen auf beiden Seiten durch Emotionen gesteuert, doch sie spielen eine enorme Rolle. Verständlich, denn schließlich sind sie menschlich.
Bevor ich anfange, würde ich euch am liebsten eine Kurzfassung des Nahostkonflikts geben, aber das ist wohl etwas schwierig… Daher nur die absolut unvollständige Mega-Kurzversion (den Gaza-Streifen lasse ich außen vor, macht alles noch komplizierter):
Der Staat Israel wird 1948 gegründet. Dazu wird Palästina gemäß einem Plan der UNO aufgeteilt, mit dem mehrere arabische Länder aber nicht einverstanden sind, so dass sie den jungen Staat bereits einen Tag nach seiner Gründung angreifen. Immerhin acht Monate dauert es, bis es 1949 zu einem Waffenstillstandsabkommen kommt, demnach weite Teile Palästinas unter israelische Kontrolle kommen. Die Westbank bleibt jedoch palästinensisch. (Die Grenze sieht man auf der unten stehenden Karte.)
Bis heute folgen zahlreiche Kriege und Kampfhandlungen mit den Palästinensern und u.a. Ägypten, die teils durch Israel, teils durch seine Gegner initiiert werden. Entscheidend ist der sogenannte Sechstagekrieg von 1967, bei dem Israel unter anderem die Westbank und Ost-Jerusalem besetzt. Per Resolution fordert die UN noch im gleichen Jahr den Rückzug Israels aus den palästinensischen Gebieten, jedoch bekanntermaßen bis heute ohne Erfolg.
Mit der Besetzung dieser Gebiete beginnt auch der Bau jüdischer Siedlungen innerhalb der palästinensischen Gebiete: 14 Siedlungen gab es 2007 in Ostjerusalem, 118 in der Westbank und wie jeder weiß, der Nachrichten sieht, geht der Siedlungsbau immer weiter. Ende 2008 leben fast eine halbe Millionen jüdische Siedler in Ostjerusalem und der Westbank (Israel hat nur knapp 8 Mio. Einwohner).
1987 kommt es zur ersten Intifada, bei der sich die Palästinenser gegen die Besetzung ihres Landes erheben. Ihre Hauptwaffe sind Steine – ihnen gegenüber steht die hochgerüstete israelische Armee.
1993 beginnt mit dem Oslo-Abkommen der Aufteilungsprozess der Westbank. Der heutige Stand ist wie folgt:
Wie ihr seht, ist der Anteil der ausschließlich von Palästina kontrollierten Gebiete sehr gering, während der Großteil der Westbank weiterhin allein israelischer Kontrolle untersteht.
2002 beginnt Israel den Bau der Mauer zur Westbank, der bis heute fortgesetzt wird und zum Teil weit innerhalb der Westbank anstatt an der eigentlichen Grenze erfolgt (siehe Karte). Was sich anhört wie ein zusammenhängendes Bauwerk, stellt sich als eine Vielzahl kleiner Mauern heraus, mit denen palästinensische Dörfer oder Städte zum Teil komplett eingekreist werden. Die (unvollendete!) Mauer ist bisher etwa 100km länger als die Grenzlinie.
Durchfährt man Jerusalem und seine Umgebung in der Westbank, hat man oft das Gefühl, das ganze Land besteht aus Mauern und Stacheldraht. Doch damit sind wir schon bei den Gefühlen – Auftakt zu den Berichten über die politischen Touren!
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